Daniels Blog
11.09.2020
Demenzfreundlicher Bestatter – was ist das?
Im Frühjahr 2020 durfte ich eines der besten Seminare zur beruflichen Weiterbildung besuchen, die ich bisher erlebt habe. Den Kurs zum „Demenzfreundlichen Bestatter“. Seitdem fällt mir noch mehr auf, wie sehr dieses Thema in der öffentlichen Wahrnehmung fehlt. Die erste Reaktion der örtlichen Zeitung diesbezüglich: „Herr Zielke, das Thema ist zu speziell. Das werden wir wohl nicht bringen.“ Die Reaktionen im Freundeskreis waren ähnlich: „Was ist das?“, „Was soll das?“, „Braucht man das?“. Dadurch wurde mir klar, dass es ein Thema ist, mit dem sich viele noch nie näher auseinandergesetzt haben – und dazu zähle ich mich auch selbst. Bis zu diesem Seminar waren auch für mich Personen, die an Demenz erkrankten, alte Leute, wo es im Kopf halt irgendwann nicht mehr richtig funktioniert und die dann etwas seltsam und vergesslich werden. Viel mehr wusste ich dazu nicht.
Das Seminar hat das geändert. Sibylle Wetzel und Koert Huber haben uns in dem von ihnen konzipierten Seminar für Bestatter zunächst einmal gezeigt, dass Demenzerkrankte keine kleine Randgruppe sind. Allein in Lauterbach gibt es statistisch gesehen zur Zeit 274 Menschen, die eine Form der Demenz haben. Mediziner gehen davon aus, dass diese Erkrankung in den nächsten Jahren immer weiter zunehmen wird, bis sie sich im Jahr 2060 beinahe verdoppelt haben wird auf über 500. Das bedeutet, dass immer mehr Familien mit dieser Krankheit in Berührung kommen werden.
Wie sieht das in der Praxis aus? Ganz unterschiedlich. Aber konstruieren wir einmal einen Fall. Das Ehepaar Schmidt ist seit 50 Jahren verheiratet. Eines Tages wird bei Frau Schmidt eine Demenzerkrankung diagnostiziert. Herr Schmidt kümmert sich rührend um seine Frau und so kommen sie ganz gut zurecht. Doch eines Tages bekommt Herr Schmidt einen Herzinfarkt und stirbt. Nun sind die Kinder gefragt, sich um die Bestattung zu kümmern und um ihre Mutter. Was passiert nun oft – jedenfalls bei einer schon fortgeschrittenen Erkrankung? Die Tochter kommt zu uns ins Institut, wir besprechen alles, was nötig ist und die Mutter wird lieber außen vor gelassen, weil man sie damit nicht belasten will.
Und jetzt komme ich als Demenzfreundlicher Bestatter ins Spiel. Denn dem gut ausgebildeten Bestatter wird diese Situation wahrscheinlich auffallen und er wird es ansprechen. Gemeinsam werden wir nach Möglichkeiten suchen, die Mutter nicht auszuklammern, sondern – wo möglich – einzubeziehen. Warum? Weil es richtig ist. Niemand möchte von der Bestattung eines lieben Menschen ausgeschlossen werden. Das Seminar hat mir gezeigt, dass es fast immer einen Weg gibt, den Abschied gemeinsam zu gestalten. Das muss nicht heißen, dass man der Mutter wirklich zumutet, bei allem dabei zu sein. Aber es kann heißen, dass man auch ihr eine Möglichkeit des Abschieds gestaltet. Aber ist das nicht unnötig? Vergisst ein Demenzkranker (je nach Stadium der Krankheit) nicht sowieso gleich wieder, dass er dabei war? Ja, das mag sein. Aber unnötig ist es trotzdem nicht. Denn zum einen hat man als Angehöriger nie das Gefühl, dass man die Mutter belügen muss – sie war ja dabei. Zum anderen kann es auch bei der Mutter einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
So können wir diesen Familien im Moment des Abschieds helfen kluge Entscheidungen zu treffen, die vielleicht noch auf Jahre hinweg das Zusammenleben erleichtern. Das bringt mir nicht nur ein gutes Gefühl, sondern ist ein echter Mehrwert für die Angehörigen, die sich für uns als Begleiter in der Phase der Trauer entscheiden. Also: „Braucht man das?“ – Ja, unbedingt! Und ist das Thema zu speziell? Nein! Denn es haben viel mehr mit diesem Thema zu tun, als uns im Alltag bewusst ist. Ich bin jedenfalls froh, dass ich diese Fortbildung absolviert habe. Dadurch konnte ich schon einigen Angehörigen verständnisvoller und hilfreicher zur Seite stehen, als ich das vorher gekonnt hätte.
Ihr sollt nicht trauern!
Vor kurzem erinnerte mich ein guter Freund daran, dass er im Falle seines Todes keine normale Trauerfeier haben möchte. Er würde sich eine fröhliche Feier wünschen. Er sei ja auch ein fröhlicher Mensch und wolle nicht, dass bei seiner Beerdigung alle traurig seien. Dazu hat er dann auch gleich noch ein passendes Lied gefunden. Von der Band Santiano „Ihr sollt nicht trauern!“. (Hier der YouTube-Link dazu: „Ihr sollt nicht trauern – Santiano“)
Niemand möchte andere traurig machen
Im ersten Moment konnte ich das ja auch nachvollziehen. Wohl niemand möchte seine Familie und Freunde traurig machen. Deshalb habe ich den Wunsch nach einer nicht so traurigen Beerdigung auch schon häufiger gehört. Und ich erfülle diesen Wunsch auch – sofern möglich. In Abschiedsreden bringe ich dann gerne kleine Anekdoten ein, die den ein oder anderen der Trauergäste zum Schmunzeln oder sogar zum Lachen bringen. Denn auch das gehört zur Erinnerung dazu.
Aber dieser Wunsch ging ja weiter. „Ihr sollt nicht trauern.“ Und das empfinde ich als übergriffig, ja als Bevormundung. Das geht mir eindeutig zu weit. Wenn ein Mensch stirbt, den ich gern habe, den ich nun vermisse, dann bin ich traurig und dann möchte ich auch traurig sein dürfen. Ich möchte weinen können, wenn es mir danach ist und kein schlechtes Gewissen haben, weil ich weiß, dass ich mit meiner Traurigkeit den Wunsch des Verstorbenen nicht erfülle. Und so fiel mir auf, dass dieser Wunsch eigentlich ein egoistischer ist. So wie es egoistisch ist, jemandem, der gerade weint, aus eigener Hilflosigkeit heraus zu sagen:
„Sei doch nicht so traurig!“
Das sagt man, weil man nicht weiß, was man tun soll, wie man helfen kann. Das sagt man, weil man selbst mit der Situation überfordert ist. Wir möchten, dass jemand aufhört zu weinen, damit wir uns besser fühlen. Wie viel besser wäre es, die eigene Hilflosigkeit zuzugeben, zuzuhören oder einfach nur da zu sein und jemanden in den Arm zu nehmen. Damit können wir wirklich helfen, aber nicht damit, dem anderen die Traurigkeit zu verbieten.
Und deshalb würde ich diesen Wunsch auch nicht erfüllen wollen. Jedenfalls nicht so. Ich wäre für eine Trauerfeier im Wortsinn. Also für eine Feier, bei der man sich gemeinsam erinnert und über die vielen fröhlichen Momente, die man zusammen hatte, freut. Eine Feier, bei der dann auch gelacht werden darf. Ja, das schon. Aber eben auch eine Feier, bei der man trauern darf. Denn man hat einen wichtigen Teil des eigenen Lebens verloren. Und diese Lücke zu begreifen, tut eben auch weh.
Was, wenn sich niemand kümmert?
Ich bin schon oft gefragt worden, wann und warum man eine Bestattungsvorsorge abschließen sollte. Das „Wann?“ lässt sich ganz leicht beantworten: je früher, desto besser. Denn für eine Vorsorge gibt es kein „zu früh“, aber es kann ein „zu spät“ geben.
Bleibt die Frage nach dem „Warum?“. Auch das lässt sich natürlich beantworten. Man entlastet die Angehörigen, man stellt sicher, dass die eigenen Wünsche berücksichtigt werden… Aber ich habe mir gedacht, ich beschreibe einfach mal aus der Praxis, was passiert, wenn jemand verstirbt, der keine Angehörigen hat, die sich um die Bestattung kümmern und auch ansonsten nichts geregelt hat.
Herr Müllermeier musste vor einigen Jahren seine Frau bestatten.
Da konnte er sich noch selbst darum kümmern. Sie waren beide sehr naturverbunden und deshalb entschied er sich damals für einen Begräbniswald in der Nähe. Dort suchte er sich einen schönen Platz für die Urne seiner Frau aus. Eine junge Buche wurde ausgewählt – direkt an einer Lichtung, eine Bank in der Nähe – perfekt. Leider fehlte das Geld, um direkt einen zweiten Platz zu kaufen, damit er später einmal neben seiner Frau bestattet werden könnte. Aber eines war für ihn klar: „Ich werde später auch mal hier in diesem Wald ganz in der Nähe meiner Frau bestattet werden.“ Die Trauerfeier organisierte er damals in einem kleinen familiären Rahmen. Es war ein intimer und liebevoller Abschied.
Doch der Verlust seiner lieben Frau setzte Herrn Müllermeier sehr zu und so baute er in der Folge selbst auch gesundheitlich ab. Irgendwann war es so weit, dass ein vom Gericht bestellter Betreuer sich um die Angelegenheiten des Herrn Müllermeier kümmerte. Doch es ging dann alles schneller, als gedacht. Herr Müllermeier stürzte, kam ins Krankenhaus und verstarb dort nach kurzer Zeit an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich in seinem geschwächten Zustand zugezogen hat. Der Betreuer hatte also noch gar keine Möglichkeit gehabt, sich um die spätere Bestattung seines Betreuten zu kümmern.
Nun muss man wissen, dass die Vollmacht für einen gerichtlich bestellten Betreuer in der Regel erlischt, sobald der Betreute verstirbt. Ab diesem Zeitpunkt kann der Betreuer fast nichts mehr tun. Eben auch nicht die Bestattung regeln. Herr Müllermeier hat auch keine Verwandten mehr, die sich um die Bestattung kümmern würden. Der Leichnam kommt also im Krankenhaus – wie jeder Verstorbene – erst einmal in ein Kühlfach. Da sich niemand kümmert, wird nach einigen Tagen das Ordnungsamt informiert. Dort wird noch einmal nachgeforscht, ob sich nicht doch ein Verwandter finden lässt. Weitere Tage ziehen ins Land. Schlussendlich wird niemand gefunden, der sich kümmern möchte oder kümmern kann. Auch gibt es keine schriftlichen Wünsche, wie Herr Müllermeier bestattet werden will. Also muss das Ordnungsamt dafür sorgen, dass der Leichnam bestattet wird. In einem Sarg auf dem Friedhof. So schreibt es das Gesetz in Hessen in solchen Fällen vor.
Die Bestattung durch das Ordnungsamt
Die freundliche Dame vom Ordnungsamt ruft also einen Bestatter an und beauftragt diesen, den Verstorbenen Herrn Müllermeier aus dem Krankenhaus abzuholen und in den günstigsten Sarg zu betten. Um Kosten zu sparen, wird gleichzeitig der Friedhof informiert. So kommen keine weiteren Kosten für die Kühlung zustande. Der Bestatter überführt also direkt an das bereits vorbereitete Grab auf einer Wiese. Dort warten Mitarbeiter des Friedhofs in ihrer Arbeitskleidung in Warnorange bereits mit dem Bagger, um das Grab anschließend direkt wieder zu verschließen. Der Sarg wird aus dem Überführungsfahrzeug ausgeladen und direkt beigesetzt. Das war es. Und wenn doch noch Angehörige gefunden werden, dann wird eine ordentliche Rechnung des Ordnungsamtes ins Haus flattern.
So wollte Herr Müllermeier wohl kaum bestattet werden. Wie hätte er das verhindern können? Ein einfaches Gespräch mit dem Bestatter seiner Wahl und eine abschließende Unterschrift unter einem Bestattungsvorsorgevertrag hätten genügt. Auch für das Finanzielle hat sich so bisher immer eine Lösung finden lassen. Und das ist der Grund, warum ich immer wieder betone, wie wichtig eine Vorsorge auch auf diesem Gebiet ist. Deswegen: Bitte nicht weiter aufschieben! Ein Termin ist immer kurzfristig möglich. Übrigens kostet das Vorsorgegespräch nur Überwindung – kein Extra-Geld.
01.05.2018
Holländische Entwicklungshilfe
Am letzen Wochenende war ich auf einer Bestatter-Infofahrt mit unserem Berufsverband (Verband unabhängiger Bestatter e.V.) in den Niederlanden unterwegs. Die Fortbildungsreise wurde von der BT Bestattungstreuhand GmbH angeboten und organisiert. Vorher wurde ich einige Male gefragt: „Und was soll das bringen?“ Ehrlich gesagt, war ich mir da selbst nicht ganz sicher. Aber jetzt weiß ich es. Ich habe erkennen müssen, dass wir in Deutschland ein Entwicklungsland sind – jedenfalls auf dem Gebiet der Themen Tod und Trauer.
Es ist unglaublich, wie anders in den Niederlanden mit dem Tod umgegangen wird.

Blick auf das 25ha große Gelände des Naturbegräbnisplatzes Schoorsveld
Nur einen Katzensprung von der deutschen Grenze entfernt ist schon alles anders. Die Niederländer sind uns in diesem Bereich meilenweit voraus – jedenfalls hoffe ich inständig, dass das, was ich gesehen habe, auch bei uns irgendwann einmal Wirklichkeit wird und wir ihnen dann sozusagen nachfolgen.
Zwei Beispiele, die das deutlich machen sollen, möchte ich kurz anführen. Zuerst unser Besuch auf dem „Naturbegraafplats Schoorsveld“. Vorher dachte ich: „Naja, Waldfriedhöfe haben wir ja auch. Was soll da schon groß anders sein?“
Es war alles anders.
Zunächst einmal gingen wir eine Runde durch eine wunderschöne Landschaft mit mehreren kleinen Seen, Heide und Wald. Und überall gab es vereinzelt liegende beschriftete Baumscheiben, die ein Grab kennzeichneten. Das besondere schon hier: In Schoorsveld dürfen – anders als auf deutschen Waldfriedhöfen – nicht nur Urnen, sondern auch Särge beigesetzt werden. Dieser Rundgang war bereits beeindruckend und sehr schön – in diesem Moment wusste ich schon, dass ich den Friedhof gefunden hatte, auf dem ich einmal bestattet werden möchte.
Doch das Beste kam erst noch: Wir betraten das Gebäude. Es fügte sich schon von außen rein optisch wunderbar in die Landschaft ein und die Lage direkt an einem der Seen verhieß auch einen schönen Blick aus der großen Glasfront der Trauerhalle. Aber was wir dann sahen, als wir das Gebäude betraten, hat mich und auch einige andere meiner Bestatterkollegen und -kolleginnen so überwältigt, dass uns die Tränen kamen. Denn trotz der 155 Sitzplätze, die in dem halbrunden Raum vorhanden waren, fühlte ich mich eher wie in einem kuscheligen Wohnzimmer mit einem grandiosen Ausblick als in einer Trauerhalle. Für die engsten Angehörigen besteht die erste Sitzreihe aus zwei großen und gemütlichen Sofas – davor kleine Couchtische, auf denen das Glas Wasser, oder die Kaffeetasse einen Platz finden können.
Nun mag sich der deutsche Leser fragen: Wieso das denn? Wo soll ich denn ein Glas Wasser oder gar eine Tasse Kaffee auf einem Friedhof her bekommen? Ganz einfach: Normalerweise werden die Trauergäste vor der Trauerfeier erst einmal nicht direkt in die Trauerhalle, sondern in das angeschlossene Café geführt, wo sie zunächst einmal Ruhe und Besinnung finden können – und eben eine Tasse Kaffee, Tee oder ein Glas Wasser. Danach erst geht die Trauergesellschaft in den Saal, in dem die Trauerfeier stattfindet.
Zu diesem Zeitpunkt sind die engsten Angehörigen übrigens schon längst im Gebäude, haben vom Verstorbenen allein und in aller Ruhe Abschied nehmen können, und dann in in einem separaten Familienraum Platz genommen. Dieser Raum hat ein gemütliches Sofa und einige Sessel, und selbstverständlich gibt es auch hier einen eigenen Kaffeevollautomaten, Tee, Kuchen und so weiter. Erst, wenn alle Trauergäste in der Halle sind, kommt dann die Familie dazu. Und auch die Trauerfeier an sich würde dann anders ablaufen als bei uns – aber das würde nun hier zu weit führen. Nach der Trauerfeier begleitet man dann den Sarg zur Beisetzung. Bei schlechtem Wetter stehen für die Trauergäste Leih-Gummistiefel und Leih-Regenschirme in der Garderobe bereit. Nach der Bestattung gehen alle zurück in das Gebäude, trinken dort gemeinsam wieder Tee, Kaffee oder ähnliches und essen Kuchen und trösten sich gegenseitig. Das Gebäude steht den Trauergästen im Rahmen einer Bestattung übrigens für insgesamt vier Stunden zur Verfügung. So haben sie wirklich genügend Zeit, um alles in Ruhe anzugehen.
Das alles hat mich sehr beeindruckt, denn hier hat jemand nicht nur Geld in die Hand genommen, um eine schöne Trauerhalle zu bauen, sondern alles bis ins kleinste Detail mit Herz und Verstand durchdacht. Erwähnte ich schon die kleine Spielecke für Kinder?

Trauerhalle im Crematorium de Hoge Boght in Veldhoven NL
Das zweite Beispiel für den völlig anderen Umgang mit dem Tod sah ich dann bei der Besichtigung des Crematorium de Hoge Boght. Auch hier gibt es eigene, mit Kaffeemaschinen, Sofas und Sesseln ausgestattete, Abschiedsräume, eine helle, freundliche und moderne Trauerhalle, einen gemütlichen Familienraum und ein angeschlossenes Café. Aber noch mehr beeindruckte mich, dass es einen extra Raum gibt, der hochprofessionell aber auch ansprechend eingerichtet war, in dem Angehörige ihre Verstorbenen selbst hygienisch versorgen, also waschen, zurechtmachen und ankleiden können. Ein Raum, der oft benutzt wird. Ein Raum, der die Trauerbewältigung sicherlich erleichtert.
Mein Fazit nach diesem Wochenende: Wir brauchen in Deutschland dringend Entwicklungshilfe aus den Niederlanden, damit der Tod auch bei uns mehr Teil des Lebens wird und nicht etwas, was man schnell abarbeiten muss.
Übrigens: In den Niederlanden muss die Urne nach der Einäscherung vier Wochen im Krematorium verbleiben. Das ist die sogenannte „Abkühlphase“. Denn in dieser Zeit haben die Angehörigen die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und sich ohne Zeitdruck Gedanken zu machen, was dann damit geschehen soll. Möchte ein naher Angehöriger die Urne zu Hause haben? Oder soll die Asche in kleinere Urnen aufgeteilt werden, die die Angehörigen oder Freunde an verschiedene Orte mitnehmen? Möchte man eine Naturbestattung durchführen oder ganz traditionell auf einem Friedhof bestatten? Soll die Urne im Meer bestattet werden oder die Asche am Lieblingsplatz des Verstorbenen verstreut werden? Oder passt vielleicht doch eher eine Ballonbestattung oder sollte man gar ein Feuerwerk zünden? Die Möglichkeiten sind vielfältig, und die Niederländer können sich in aller Ruhe entscheiden, was sie tun möchten – beneidenswert. Nein, nachahmenswert!
23.02.2018
„Warum bist du Bestatter geworden?“
Diese Frage wird mir oft gestellt. Eigentlich immer, wenn ich Schulklassen besuche, oder wenn jemand zum ersten Mal von meiner beruflichen Tätigkeit erfährt. Und ich kann die Frage gut verstehen. Denn der Tod ist in unserem Kulturkreis nun einmal ein Tabuthema – niemand möchte damit zu tun haben, darüber nachdenken. Da wirkt ein Beruf, bei dem man jeden Tag mit dem Thema in Berührung kommt, auf viele befremdlich, vielleicht sogar unvorstellbar.
Aber die Antwort auf die Frage fällt mir auch immer leicht, denn mein Beruf ist für mich auch Berufung und ich nehme an, dass man von jedem guten Bestatter eine ähnliche Antwort bekommen würde. Ich kann aber natürlich nur für mich sprechen. Mir persönlich gibt es sehr viel, wenn ich Menschen in dieser schwierigen Ausnahmesituation zur Seite stehen kann, wenn ich spüre, dass mir Vertrauen geschenkt wird und ich ein wenig Anleitung und Halt bieten kann.
Macht die Arbeit vielleicht süchtig?
Eine Kollegin von mir sagte mal, dass sie glaubt, dass das süchtig machen kann. Da könnte was dran sein. Es gibt für mich kaum ein schöneres Gefühl, als noch auf dem Friedhof von der Witwe in den Arm genommen zu werden und ein „Danke, das haben Sie so schön gemacht“ zu hören.

Elegante Dekoration zu einer Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung.
Außerdem schätze ich auch sehr die Abwechslung in meinem Beruf. Kaum jemand hat eine Vorstellung davon, wie vielfältig der Beruf des Bestatters ist. Wir haben ja nicht nur mit den Verstorbenen zu tun, sondern auch mit den Angehörigen, denen wir nicht nur als Berater sondern auch als Begleiter in einer schwierigen Lebensphase zur Verfügung stehen. Dazu kommt ein hoher Anteil an Büroarbeit: Abmeldungen bei der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und oftmals auch noch das Kündigen weiterer Verträge, außerdem die Terminkoordination mit Angehörigen, Rednern oder Pfarrern und Friedhofsverwaltungen und vieles mehr. Oftmals kümmern wir uns auch um die Traueranzeigen oder -briefe. Und schließlich die Ausrichtung der Trauerfeier. Da ist man als Bestatter ja auch irgendwie Eventmanager und Zeremonienmeister. Nicht nur, dass man für eine schöne und persönliche Dekoration sorgt, sondern man muss auch darauf achten, dass alles so abläuft, wie es laufen soll und wenn es dann doch mal klemmt, dann muss man improvisieren. Das kann schonmal zu der ein oder anderen Schweißperle auf der Stirn führen und auf jeden Fall zu gestiegenem Blutdruck. Denn eines ist mir auch immer bewusst:
Man kann nichts wiederholen oder rückgängig machen.
Deshalb muss es so perfekt, wie nur menschenmöglich, ablaufen. Aber wie gesagt, wenn man dann danach ein von Herzen kommendes „Dankeschön“ hört oder liest, dann weiß man wieder, dass sich alles gelohnt hat.
05.04.2018
Zu schön, um begraben zu werden?
Gerade in den letzten Tagen konnte ich wieder zwei meiner „Lieblingsurnen“ bei Trauerfeiern verwenden. Da fällt mir auf, dass bei den Angehörigen diesmal gar nicht die Frage kam, ob die nicht zu schön sind, um sie zu begraben. Die Frage wird mir sonst nämlich oft gestellt, wenn jemand zum ersten Mal die ungewöhnlichen, aber oftmals wunderschönen Urnen sieht, die wir im Sortiment haben.
Ich finde die Frage ja durchaus berechtigt.
Gerade wenn man etwas pragmatischer an Dinge herangeht, dann darf man sich ruhig fragen, ob es einem das wert ist – denn die schöneren Urnen sind natürlich oftmals auch die, für die man ein bisschen tiefer in die Tasche greifen muss. Aber aus der Erfahrung der letzten Jahre weiß ich auch eines: eine schöne Urne, die vielleicht sogar noch einen Bezug zum Verstorbenen herstellt, bleibt besser im Sinn. Man erinnert sich auch lieber an die Trauerfeier zurück, weil man an die schöne Urne denkt und daran, dass man dem geliebten Menschen ein schönes letztes „Kleid“ geschenkt hat.
Es ist natürlich schon so, dass man die Urne meist nur eine Stunde lang im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten sieht. Aber es geht ja auch darum, Erinnerungen zu schaffen, und da kann eine schöne Urne eine gute Hilfe sein. So sagte mir ein älterer Herr vor einiger Zeit, dass er mir sehr dankbar ist, weil ich ihm geholfen hätte, eine passende Urne für seine liebe Frau auszusuchen. Er sagte zu mir: „Immer wenn ich an ihrem Grab stehe, denke ich nicht an einen schwarzen Eimer – wie bei der Urne meines Vaters – sondern an eine wunderschöne Rose. Und damit entsteht in meinem Kopf sofort eine Verbindung zu einem Bild: meine Frau im Garten bei der Pflege ihrer Blumen.“ Und das ist meiner Meinung nach auch viel wert, wenn man es sich auf diese Weise leichter machen kann, sich an schöne Momente zu erinnern.
Und was sollen die Nachbarn sagen?
„Was sollen die Nachbarn sagen, wenn ich mit so einer extravaganten Urne ankomme?“ Auch diese Frage spielt hin und wieder bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Aber inzwischen weiß ich, was die Nachbarn sagen, wenn man eine außergewöhnliche Urne nutzt: „Die ist ja schön! Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt! Hätt´ ich das mal früher gewusst, dann…“ Ja, dann wäre wohl auch dort eine Bestattung vor einiger Zeit etwas persönlicher abgelaufen.